Osteoporose vorbeugen
Bruchgefahr: So beugen Sie Osteoporose vor
Knochen schützen unsere Organe, formen den Bewegungsapparat, machen uns mobil und bilden Blut. Trotzdem schenken wir ihnen meist erst Aufmerksamkeit, wenn sie brechen. Ein Fehler: Wer frühzeitig auf seine Knochen achtet, kann ihnen mit einfachen Mitteln ihren größten Feind vom Leib halten – die Volkskrankheit Osteoporose.
Knochen sind ein wahres Wunder der Natur: Hart wie Stahl, trotzdem flexibel und so leicht, dass sie nur zehn Prozent unseres Körpergewichts ausmachen. Sie können zwar brechen, besitzen aber auch die Fähigkeit, wieder zu heilen. Das liegt daran, dass sie alles andere als trockene Materie sind – in ihrem Inneren befindet sich lebendiges Gewebe. Damit die Knochen ihrer tragenden Rolle für unseren Körper gerecht werden können, sind sie ständig mit internen Umbaumaßnahmen beschäftigt. Im Knochen befinden sich verschiedene Zellen: Die sogenannten Osteoklasten tragen das leicht brüchige Knochenmaterial ab, während die Osteoblasten neue Knochensubstanz aufbauen.
Bis zu unserem 30. Lebensjahr überwiegt im Knochenstoffwechsel der Knochenaufbau, dann ist die sogenannte „Peak Bone Mass“ erreicht – die maximale Dichte unserer Knochenmasse. Im weiteren Verlauf unseres Lebens befinden sich die Knochenabbau- und -aufbauprozesse zunächst im Gleichgewicht. Doch je mehr Geburtstage wir feiern, desto poröser wird die Substanz unseres Skeletts. Ab dem 40. Lebensjahr schließlich bauen unsere Knochen ab. Dieser Prozess lässt sich zwar nicht aufhalten, aber verzögern. Wer sich frühzeitig darum kümmert, verringert die Gefahr, an den Folgen eines gestörten Knochenstoffwechsels zu erkranken. Findet im Knochen nämlich keine Aufbauarbeit mehr statt, wird er brüchig. Dann lautet die Diagnose: Osteoporose – im Volksmund als Knochenschwund bekannt.
„Osteoporose ist eine Knochenerkrankung, die durch eine niedrige Knochenmasse, eine veränderte und gestörte Feinstruktur des Knochengewebes und ein dadurch bedingtes erhöhtes Frakturrisiko gekennzeichnet ist“, erklärt Professor Michael Mayer, Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums in der Schön Klinik München Harlaching. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Osteoporose in die Liste der Volkskrankheiten aufgenommen. „In Deutschland sind sieben bis acht Millionen Menschen daran erkrankt. Das sind 17 Prozent aller Frauen und vier Prozent aller Männer über 50 Jahre“, bestätigt Antje Gahl, Ernährungswissenschaftlerin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Knochenbrüche treten bei Männern zwar seltener und später auf, dennoch sind sie häufiger betroffen als noch bis vor Kurzem angenommen. Experten vermuten, dass die gleichen Risikofaktoren, wie bei Frauen für die Entstehung der Krankheit verantwortlich sind. Die häufigste Ursache soll allerdings ein Hypogonadismus sein, eine Funktionsstörung der Hoden, die zu einem Testosteronmangel führt.
Tückisch: Osteoporose entsteht oft unbemerkt
„Das Tückische ist, dass sich die Krankheit langsam und in der Regel ohne Symptome entwickelt. Osteoporose tut nicht weh. Beschwerden entstehen erst, wenn es zu Verformungen, Rissen oder Brüchen des Knochens kommt“, sagt Professor Mayer. Im Verlauf der Krankheit trete eine zunehmende Verkrümmung der Wirbelsäule mit Rundrücken, Verkürzung des Rumpfs und Vorwölbung des Bauches auf. Im fortgeschrittenen Stadium kann sogar ein Niesen einen Knochenbruch auslösen: „Es kommt zu einer plötzlichen und starken Anspannung der Rumpfmuskulatur. Dadurch kann die Wirbelsäule so stark belastet werden, dass ein oder mehrere Wirbel oder Teile davon brechen“, so der Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums.
Dass unsere Knochen das ganze Leben lang stabil bleiben, ist also alles andere als selbstverständlich. Wir müssen sie vorbeugend hegen und pflegen. Schließlich ist das Skelett die Stütze unseres Körpers. Ein erwachsener Mensch hat etwa 200 Knochen – mehr als alle anderen Säugetiere und doppelt so viele wie eine Giraffe. Und auf die ist er angewiesen: 63 Knochen sind nötig, um einen einzigen Schritt zu machen, 64 lassen die Achseln zucken. Wer es schafft, in jungen Jahren ein ordentliches Knochenplus auf seinem Konto zu verzeichnen – indem er seine Knochen stärkt und dadurch viel Knochenmasse aufbaut –, der kann lange davon zehren und sich vor Osteoporose schützen.
Kalzium und Vitamin D – Bodyguards für die Knochen
Wie man das schafft? Eine ausreichende Kalziumzufuhr ist für gesunde Knochen das A und O. Das Skelett eines Erwachsenen enthält etwa ein bis eineinhalb Kilogramm Kalzium – mengenmäßig ist es der wichtigste Mineralstoff in unserem Körper. Die Knochen brauchen ihn, um stabil zu werden und zu bleiben. „Für Erwachsene wird eine tägliche Zufuhr von 1.000 Milligramm Kalzium empfohlen“, rät Antje Gahl von der DGE. Ist der Gehalt in unserem Blut zu niedrig, setzen wir den Mineralstoff aus den Knochen frei. Denn Kalzium wird für wichtige Vorgänge benötigt – zum Beispiel für die Herzmuskelfunktion. Um die lebenswichtigen Prozesse zu erhalten, verzichtet der Körper lieber auf das Kalzium in den Knochen. So weit sollte man es aber nicht kommen lassen.
Kalzium steckt in:
- Milch
- Milchprodukten
- Gemüsesorten wie Brokkoli, Fenchel, Grünkohl und Lauch
Um den Bedarf zu decken, empfiehlt die DGE eine tägliche Aufnahme von 200 bis 250 Gramm fettarmer Milch und Milchprodukten wie Joghurt, Quark und 50 bis 60 Gramm Käse. Auch kalziumreiches Mineralwasser gehört in den Einkaufswagen. Achten Sie auf das Etikett: „Das Mineralwasser muss mindestens 150 Milligramm Kalzium pro Liter enthalten“, empfiehlt Antje Gahl. Vom Speiseplan verschwinden sollten hingegen Kalziumräuber wie Kaffee, Alkohol und Limonaden. „Zur Risikominimierung dient außerdem der Verzicht auf Nikotin“, sagt Professor Heide Siggelkow, Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Mitglied im Dachverband Osteologie e.V. (DVO) und bei der Deutschen Gesellschaft für Osteologie e.V. (DGO).
Kalzium alleine reicht allerdings nicht aus, um die Knochen vor dem Abbau zu schützen. Der Schlüssel zum Erfolg? Vitamin D. Genau genommen handelt es sich hierbei nicht um ein Vitamin, sondern um eine Hormonvorstufe, die ermöglicht, dass der Darm Kalzium aufnehmen und es in den Knochen einlagern kann. Der Körper synthetisiert Vitamin D mithilfe von UV-Strahlen auf der Haut selbst. „Wir benötigen 20 Mikrogramm Vitamin D pro Tag. Mit der Nahrung können wir aber maximal vier Mikrogramm, zum Beispiel durch fetthaltige Seefische, aufnehmen. Deshalb ist Bewegung im Freien besonders wichtig. Gehen Sie von April bis Oktober täglich mindestens zehn Minuten nach draußen, damit der Körper genügend Vitamin D für den Winter speichern kann“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Gahl.
Werden Sie aktiv: Knochen brauchen Bewegung
Neben der Ernährung spielt Bewegung bei der Vorbeugung von Osteoporose eine wichtige Rolle, da sind sich alle Experten einig. Verschiedene Studien belegen, dass eine Kombination aus Muskel- und Ausdauertraining einen knochenstärkenden Effekt hat. „Intensive körperliche Aktivität dient nicht nur dem Wohlbefinden und Muskelaufbau, sondern auch den Knochen. Reichlich Bewegung beugt Knochenverlust vor“, erklärt Fachärztin Heide Siggelkow. Warum? Ganz einfach: Muskeln und Knochen arbeiten zusammen. Wer seine Muskeln trainiert, übt Reize auf den Knochen aus und regt damit den Knochenstoffwechsel an. „In höherem Alter dient körperliche Bewegung vor allem der Minimierung eines Sturzrisikos“, so Siggelkow.
„Wandern, Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren, aber auch leichtes Joggen sowie vorsichtiger Muskelaufbau und Koordinationsübungen sind wichtig. Beim Muskelaufbau empfehlen sich vor allem Übungen zur Förderung der Rumpfmuskel-Stabilität. Generell sollte der Lebensstil der Osteoporose entgegenwirken“, rät Professor Mayer vom Wirbelsäulenzentrum. Das heißt:
- Achten Sie neben den regelmäßigen Sporteinheiten auch auf einen aktiven Alltag.
- 30 Minuten Bewegung am Tag sind ein Muss.
Wie wäre es, wenn Sie das Auto ab jetzt nicht mehr direkt vor der Haustür parken, sondern ein Stück zu Fuß gehen, Treppen steigen statt Aufzug fahren und bei intensiver Haus- und Gartenarbeit ins Schwitzen kommen? Mit jeder Bewegungseinheit tun Sie Ihren Knochen etwas Gutes!
Experten-Interview: „Osteoporose ist nicht heilbar!“
Wie entsteht Osteoporose?
Osteoporose tritt als Folge eines gestörten Knochenstoffwechsels auf. Dieser wird durch eine Kombination verschiedenster Faktoren verursacht: Je älter Sie werden, desto höher ist das Risiko an Osteoporose zu erkranken. Neben dem Alter sind erbliche Vorbelastungen und bei Frauen die hormonellen Umstellungen die häufigsten Ursachen. Wer untergewichtig ist oder einen ungesunden Lebensstil mit wenig Bewegung, kalziumarmer Ernährung und übermäßigem Alkohol- oder Koffeinkonsum führt, hat ebenfalls ein höheres Osteoporose-Risiko.
Wann und wie sollte man sich untersuchen lassen?
Wer die häufigsten Risikofaktoren für Osteoporose bei sich ausmachen kann, sollte seinen Arzt auf das Thema ansprechen. Frauen sollten spätestens nach Eintritt der Menopause und Männer ab dem 65. Lebensjahr ihre Knochendichte untersuchen lassen. Ziehen Sie außerdem einen Arzt zurate, wenn Sie bei Belastungen wie beim Anheben von schweren Gegenständen plötzlich Schmerzen im Rücken spüren oder dauerhaft Medikamente wie Kortison einnehmen. Mithilfe von Knochendichtemessungen stellt der Arzt fest, ob Osteoporose vorliegt.
Welche Rolle spielen die Wechseljahre?
Während der Wechseljahre stellen die Eierstöcke nach und nach die Produktion von Östrogenen ein. Diese Hormone spielen im Knochenstoffwechsel aber eine wichtige Rolle. Bei Östrogenmangel wird weniger Kalzium in den Knochen eingelagert und mehr Knochensubstanz ab- als aufgebaut. Die postmenopausale Osteoporose ist die häufigste Form der Krankheit. Trotzdem erkrankt nicht jede Frau automatisch daran, weil bei der Entstehung auch andere Faktoren eine Rolle spielen.
Wie wird Osteoporose behandelt?
Grundsätzlich ist Osteoporose nicht heilbar. Es gibt aber Therapieformen, die das Risiko von Knochenbrüchen senken. Diese müssen ein Leben lang angewendet werden. Dazu gehört eine gesunde Ernährung sowie ein aktives und regelmäßiges Muskeltraining. Auch die Einnahme von Medikamenten kann den Knochenaufbau stimulieren oder den Knochenabbau hemmen. Ist es bereits zu Knochenbrüchen gekommen, müssen diese gezielt behandelt werden.
Veröffentlicht: 14.12.2015