Sport ist nicht nur gut für den Körper, sondern auch für die Psyche. Nach einem Herzinfarkt hat es daher auch positive Auswirkungen auf das emotionale Befinden der Patienten, körperlich aktiv zu werden. Denn häufig gehen mit der Erkrankung depressive und Angstprobleme einher. Prof. Dr. Darko Jekauc von der Goethe-Universität Frankfurt am Main erklärt im Interview, welche psychischen Auswirkungen ein Herzinfarkt hat, welche Verbindung zwischen körperlicher Erkrankung und emotionalem Befinden besteht – und worauf man beim Sporttreiben achten sollte, um nach einem Herzinfarkt wieder fit zu werden.
Was macht ein Herzinfarkt psychisch mit den Herzinfarktpatienten? Wie muss man sich den emotionalen Zustand vorstellen?
JEKAUC: Einen Herzinfarkt zu erleiden bedeutet immer eine Bedrohung des Lebens. Personen, die so etwas erlebt haben, berichten häufig über Todesängste. Plötzlich hinterfragt man Vieles, was bis dahin selbstverständlich war. Das kann für neue positive Impulse sorgen, aber auch negative Folgen haben. Die Betroffenen fühlen sich stark verunsichert. Dieser Zustand der Angst und der Verunsicherung bildet den idealen Nährboden für Grübeln, Selbstzweifel und Sorgen. Es wird eine emotionale Kettenreaktion in Gang gesetzt, die die Entstehung von Angststörungen und Depressionen begünstigt.
Von solchen depressiven Symptomen nach einem Herzinfarkt wird häufig berichtet. Was löst diese Depressionen aus?
JEKAUC: Die Entstehung von Depression wird von vielen sozialen, psychologischen und biologischen Faktoren beeinflusst. Sicherlich spielt die Angst vor weiteren Herzinfarkten und Herzversagen eine wichtige Rolle. Die Art und Weise, wie mit dieser Angst umgegangen wird, beeinflusst die Entwicklung von Depressionen. Bei Depressionen kommt es zu einem Teufelskreis von negativen Gedanken und Emotionen, die sich gegenseitig verstärken. Die betroffene Person versinkt immer tiefer in diesem Sumpf von negativen Emotionen und Gedanken. Die Angst nach dem Herzinfarkt kann der Zündfunke sein, der diesen Teufelskreis auslöst. Die Art und Weise, wie Patienten mit dieser Angst umgehen, entscheidet darüber, wie tief sie in diesen Sumpf hineingeraten.
Nach einem Herzinfarkt wird empfohlen, möglichst schnell mit Sport anzufangen. Kann das auch helfen, der Depression zu entkommen?
JEKAUC: Körperliches Training hat nicht nur eine Wirkung auf das Herz selbst, sondern kann auch auf die Psyche der Betroffenen wirken. Soweit keine medizinischen Einwände vorliegen, sollte daher zeitnah mit einem Sportprogramm angefangen werden. Eine große Anzahl von Studien zeigt, dass körperliche Aktivität das emotionale Befinden positiv beeinflusst. Diese positiven Effekte treten sowohl in der Prävention als auch in der Behandlung von Depressionen auf. Menschen, die Sport treiben, erkranken wesentlich seltener an einer Depression. Und Patienten, die bereits eine Depression erlitten haben, erholen sich schneller und nachhaltiger, wenn sie körperlich aktiv sind.
Gibt es spezielle Übungen, die bei der Bewältigung psychischer Probleme nach Herzinfarkten helfen können?
JEKAUC: Bei der Gestaltung eines Sportprogramms ist es zunächst wichtig, mit geringer Intensität zu starten und sich dann langsam zu steigern. Wichtig ist vor allem die Regelmäßigkeit des Trainings. Das Sportprogramm wird nur dann seine Wirkung haben, wenn es kontinuierlich praktiziert wird. Damit man motiviert bleibt und auch zur Prävention von Depressionen sollte das Training Spaß machen. Bei der Umsetzung des Sportprogramms ist auf solche emotionalen Faktoren zu achten. Denn wenn der Sport lediglich als eine medizinische Maßnahme zur Vorbeugung von Herzproblemen und Depression verordnet wird, ist es schwierig, über längere Zeit am Ball zu bleiben. Steht hingegen die Freude am Sport im Vordergrund, kann sich daraus eine längerfristige körperliche Aktivität entwickeln. Es kommt also nicht nur darauf an, welche Übungen gemacht werden, sondern vor allem darauf, dass ein gutes Gefühl beim Sport treiben entsteht.
Bedeutet das umgekehrt, dass auf psychischer Ebene einem Herzinfarkt vorgebeugt werden? Und können psychische Symptome oder Probleme einen Herzinfarkt begünstigen?
JEKAUC: Psychische Probleme können bei der Entstehung eines Herzinfarktes eine Rolle spielen. Stress und negative Emotionen können beispielsweise das Risiko für einen Herzinfarkt erhöhen. Man kann sagen, dass sich die emotionalen Faktoren, die für die Entstehung einer Depression verantwortlich sind, mit dem Herzinfarkt gegenseitig beeinflussen. Die Förderung der Kompetenzen zum Umgang mit Stress und negativen Emotionen leistet daher sicher einen Beitrag zur Prävention von Herzinfarkten.
Es gibt aber noch viele weitere Risikofaktoren für Herzinfarkte, von den Genen bis zur Ernährung. Inwieweit würden Sie Sport zur Vorbeugung empfehlen?
JEKAUC: Die wissenschaftliche Forschung zeigt ganz klar, dass ein körperlich aktiver Lebensstil bei der Vorbeugung eines Herzinfarkts hilft. Die Effekte existieren sowohl auf der körperlichen als auch auf der psychischen Ebene. Ein austrainiertes Herzkreislaufsystem wird seltener von Herzkreislauferkrankungen betroffen. Darüber hinaus zeigen Studien, dass sich körperliches Training positiv auf die Psyche auswirkt.
Welche Effekte sind das?
JEKAUC: Sport steigert beispielsweise das Wohlbefinden und den Selbstwert. Er senkt das Risiko für die Entstehung von Depressionen, Angstsymptomen oder etwa ADHS und verbessert den Umgang mit Stress. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die kognitive Entwicklung von regelmäßiger sportlicher Aktivität beeinflusst wird, also z. B. die Merkfähigkeit im Jugendalter verbessert oder aber das Risiko einer Demenz im späten Erwachsenenalter verringert.
Wenn man diese positiven Effekte für sich nutzen möchte: Worauf kommt es an, wenn jemand mit Sport anfangen will?
JEKAUC: Der vielleicht wichtigste Punkt, wenn man regelmäßig und langfristig Sport treiben möchte, ist eine Sportart zu finden, die einem körperlich gut tut und zugleich Spaß macht. Dabei spielen auch die sozialen Faktoren eine Rolle. Mit wem mache ich gerne Sport? Wie komme ich mit dem Trainer zurecht? Das Training sollte abwechslungsreich sein und der eigenen Fitness angepasst werden. Ist das Training zu hart, fühlen sich die Teilnehmer überfordert und brechen die Trainingsprogramme ab. Ist das Training zu lasch, hat man das Gefühl, dass es nichts bringt. Dabei kommt es auf das Fingerspitzengefühl an, die optimale Intensität herauszufinden. Wird in diesem optimalen Intensitätsbereich trainiert, berichten die meisten Teilnehmer von einem wohltuenden Effekt des Sports.
Veröffentlicht am 16.08.2018