• Thomas Behler zu Herausforderungen der Pflegereform 2017 für Pflegeheime

    „Kein Mensch mit Pflegebedarf sollte nach der Reform schlechter dastehen als vorher“

    Thomas Behler zu Herausforderungen der Pflegereform 2017 für Pflegeheime

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Thomas Behler ist Geschäftsführer für Pflege und Betreuung bei einem gemeinnützigen Gesundheitsversorger mit mehreren Krankenhäusern und Pflegeheimen. Im Interview spricht er über die verschiedenen Seiten des Pflegestärkungsgesetzes II (PSG II), über Herausforderungen für deutsche Pflegeeinrichtungen – und über eventuell verpasste Chancen.

Herr Behler, zum 1. Januar 2017 tritt die Pflegereform in Kraft. Ist dieses Datum ein Meilenstein für die Pflege in Deutschland?
Thomas Behler im Interview
Thomas Behler, Geschäftsführer für Pflege und Betreuung bei einem gemeinnützigen Gesundheitsversorger mit mehreren Krankenhäuser und Pflegeheime. Foto: UKV
BEHLER: Es ist sicherlich der größte Meilenstein und die größte Veränderung seit der Einführung der Pflegeversicherung Mitte der 90er Jahre. Nun wird endlich ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt, der nicht nur die körperlichen, sondern auch die kognitiven Einschränkungen berücksichtigt. Denn demenzielle Veränderungen wurden zwar in der Praxis schon berücksichtigt, aber im bislang geltenden Gesetzestext taucht diese Begrifflichkeit nicht auf. Es wird nun stärker darauf eingegangen, inwieweit der zu pflegende Mensch in seiner Selbständigkeit durch die kognitiven Einbußen eingeschränkt ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist sicherlich der zukünftig gleichbleibende Eigenanteil, unabhängig vom Pflegegrad.
Welche Auswirkungen hat die Pflegereform auf Pflegeheime wie Ihre?
BEHLER: Das können wir bis jetzt noch nicht sagen. Für uns bedeutet das erst mal die Umstellung auf ein völlig neues System. Denn das Bewertungsverfahren wird ein neues sein. Das bedeutet: Wir müssen auch unsere Mitarbeiter neu schulen. Ab dem neuen Jahr müssen sie den Pflegebedarf eines Menschen auf Basis gänzlich neuer Werte und Verfahren ermitteln. Hinzu kommen neue EDV-gestützte Programme, mit denen sie zukünftig arbeiten müssen. Auch ist bisher noch ungewiss, wie genau sich der Übergang von den Pflegestufen zu den Pflegegraden bei der Erstbeurteilung von Pflegebedürftigen auswirken wird.
Inwiefern?
BEHLER: Für die Menschen, die bei uns jetzt in stationärer Betreuung sind, gilt die eindeutige Regelung, dass sie in den nächsthöheren Pflegegrad wechseln, bei eingeschränkter Alltagskompetenz erfolgt ein Doppelsprung. In letzterem Fall steigt ein Bewohner von Pflegestufe 1 in den Pflegegrad 3 auf. Dies ist als Bestandsschutz zu betrachten, da kein Mensch mit Pflegebedarf nach der Reform schlechter dastehen sollte als vorher. Es ist aber gut möglich, dass diese Menschen eigentlich zu hoch eingruppiert werden. Unsere Einrichtungen werden daher sicherlich das gesamte Jahr 2017 benötigen, um in diesem Bereich wieder die gewohnte Sicherheit zu erlangen und durchgehend korrekte Einstufungen vorzunehmen.
Gibt es denn für Ihre Einrichtungen auch positive Auswirkungen durch die neue Pflegereform? Bekommen wir zum Beispiele zukünftig mehr Pfleger?
BEHLER: Das können wir so noch nicht sagen. Die neuen Personalanhaltswerte, also die Schlüssel, mit denen Seniorenheime den Personalbedarf berechnen sollen, werden erst bis 2020 wissenschaftlich evaluiert werden – Also erst drei Jahre nachdem die Reform eingeführt wird. Seit Jahren wird in der Öffentlichkeit darüber debattiert, dass mehr Personal nötig ist, um die zu Pflegenden würdig zu betreuen. Das führt meiner Meinung nach zu einer Verunsicherung seitens der Pflegeheime, aber auch seitens der Fachkräfte, da erst 2020 genau feststeht, wie viel Geld nach der Reform für Pflegekräfte bereit steht.
Also die neue Pflegerefom: Für Pflegebedürftige, gerade für Demenzkranke, eine Bereicherung. Für Ihre Einrichtungen ist es erst mal mit hohem Arbeitsaufwand verbunden. Glauben Sie denn das reformierte Pflegeversicherungsgesetz wieder mehrere Jahrzehnte in Kraft bleiben wird? Das letzte Gesetzt hielt sich schließlich 22 Jahre.
BEHLER: Ganz klar: Nein. Wir erleben eine dramatische demographische Entwicklung, die Menschen werden immer älter. Altersarmut aufgrund der immer geringeren Renten wird dazu führen, dass immer häufiger der Staat den Eigenanteil finanzieren muss. Zudem werden sich neue Wohnformen für Pflegebedürftige entwickeln, der medizinische Fortschritt erhöht unsere Lebenserwartung – all das sind Punkte, auf die der Staat reagieren muss und wird. Von daher denke ich, dass in spätestens zehn Jahren eine erneute Pflegereform auf uns zukommt.

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