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In der ganzen Welt unterwegs – medizinisch abgesichert wie zuhause
Wie schützen sich digitale Nomaden am besten vor Kosten bei Unfall und Krankheit?
Wir reisen nicht mehr nur durch die Welt. Neuerdings arbeiten immer mehr vor allem junge Menschen ortsunabhängig zum Beispiel von Bali, Singapur oder den USA aus. Arztbesuche im Ausland sind dann nicht mehr nur in äußerst akuten Fällen notwendig, auch Routineuntersuchungen müssen in der Ferne stattfinden. Wer nicht zu tief in die Tasche greifen will, braucht eine gute Absicherung. Doch wie sieht diese aus? Und was passiert eigentlich bei der Rückkehr nach Deutschland zwischendurch? Beratung unter anderem zu diesen Fragen bietet Sebastian Kühn. Er ist Mitgründer vom Citizen Circle, einer Online-Community für ortsunabhängige Unternehmer.
Mit der UKV als Kooperationspartner widmete sich der Citizen Circle bei seiner Jahreskonferenz im Juli dieses Jahres in Riga auch der Frage der geeigneten Krankenversicherung. Im Interview erzählt Sebastian Kühn über die Herausforderungen, mit denen sich die so genannten Digitalen Nomaden bei der Wahl einer Krankenversicherung konfrontiert sehen – und worauf sie achten müssen.
Sebastian, zunächst, was ist ein Digitaler Nomade und was zeichnet ihn aus?
Ich glaube, eine Wikipedia-Definition wäre, dass Digitale Nomaden Selbständige sind, die durch eine ortsunabhängige Arbeit, zumeist übers Internet, Geld verdienen und ihren Beruf deshalb mehr oder weniger mit dem Reisen verbinden. Meine Definition wäre eher wertebasiert: Den Leuten, die ich kenne und die sich als Digitale Nomaden bezeichnen, geht es darum, den Begriff Arbeit neu zu denken und aus den Konventionen auszubrechen, keine 40-Stunden-Woche oder einen festen Wohnsitz zu haben. Für sie und mich sind die Werte Autonomie und Selbstbestimmung ganz wichtig. Wieviel jemand tatsächlich reist und wieviel er dabei arbeitet spielt für mich keine große Rolle. Entscheidend ist, dass man jederzeit den Ort verlassen könnte, an dem man sich befindet. Ich lebe beispielsweise zurzeit in Porto, möchte aber auch noch eine Weile bleiben.
O-Ton: Wie ich Digitaler Nomade wurde. (Sebastian Kühn)
Was sind die größten Sorgen im Alltag eines Digitalen Nomaden?
Die häufigste Sorge ist zumindest: Wo bekomme ich gutes Internet her? Auch die Zeitzonen spielen eine Rolle, vor allem, wenn man viel mit Kunden arbeitet. Das kann in Asien oder Südamerika manchmal schon schwierig sein. Größere Sorgen machen aber bürokratische Themen und Fragen: Wie bekomme ich das nächste Visum? Wie lange darf ich in einem Land bleiben? Bin ich hier steuerpflichtig? Diese Hürden machen das Leben nicht unbedingt einfacher.
Wie ist es im Ausland mit der medizinischen Versorgung: Kommst du für Arztbesuche nach Deutschland?
Teilweise ja. Ich brauchte eine Impfung für eine Reise nach Uganda, die habe ich in Deutschland machen lassen. Und für einige Behandlungen war ich in den letzten Jahren in Deutschland beim Hautarzt. Routineuntersuchungen, wie beim Zahnarzt oder Vorsorgeuntersuchungen, habe ich auch schon im Ausland gemacht, etwa in China, Singapur oder Thailand. Das habe ich größtenteils aus eigener Tasche bezahlt, weil die Kosten dort deutlich geringer sind. Ansonsten habe ich eine Krankenversicherung, die alle Krankenhausbesuche abdeckt, alle schwerwiegenden Fälle, alle chronischen Krankheiten.
O-Ton: Sebastian Kühn zu typischen Gefahren und der medizinischen Versorgung im Ausland
Klar ist, es gibt noch nicht das „perfekte“ Versicherungsprodukt für die wachsende Gruppe Digitaler Nomaden. Du bringst in Deinem Blog etwas Licht in die Diskussion um die „ideale“ Krankenversicherung. Vor welchen Herausforderungen stehen Digitale Nomaden, wenn es um die Absicherung ihrer Gesundheit geht?
Das Thema ist total relevant, meine Leser sind vor allem Deutsche, Österreicher und Schweizer. Ein Hauptgrund ist die deutsche Krankenversicherungspflicht, die gibt es in vielen anderen Ländern nicht. Zumeist stellen sich für Digitale Nomaden zwei Hauptfragen: In welcher Situation gilt für mich die Versicherungspflicht und wie versichere ich mich im Ausland? Für viele Krankenkassen gilt eine Mindestaufenthaltszeit im Ausland von drei Monaten, damit keine Pflicht zur Versicherung in Deutschland besteht. Allerdings gibt es da große Unterschiede – das ist eine Frage der Argumentation, liegt aber im Ermessen der Krankenkassen. Außerdem braucht man für jeden Aufenthalt im Ausland eine Auslandskrankenversicherung. Die gibt es als Reisekrankenversicherung für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren, wenn man einen Wohnsitz in Deutschland hat. Hat man den nicht oder nicht mehr, bleiben nur internationale Versicherungsanbieter, die in der Regel teurer sind.
Ist dir in deiner Zeit als Digitaler Nomade etwas im Ausland passiert, das vor Ort medizinisch versorgt werden musste?
Leider tatsächlich einmal in Shanghai. Da ist mir eine Zyste direkt über dem Auge gewachsen und die hat so stark auf den Augapfel gedrückt, dass ich auf dem Auge nichts mehr gesehen habe und einen wahnsinnigen Druck im Kopf hatte. Das musste schnell behandelt werden. Ich hatte einen Kostenvoranschlag von 5.000 Euro für die Operation, aber es war nicht klar, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt oder ob es als kosmetischer Eingriff gelten würde. Ich hatte Glück, alles ist gut gegangen und meine Auslandskrankenversicherung hat gezahlt.
Macht es für die Versicherung einen Unterschied, ob man ständig das Land wechselt oder, wie du, sechs Monate am Stück in Porto lebt?
Bei der Reisekrankenversicherung, die auf maximal fünf Jahre begrenzt ist, ist es egal, wo und wie lange man sich in einem bestimmten Land aufhält. Es gibt aber auch unbefristete Auslandskrankenversicherungen, die im Grunde wie eine deutsche private Krankenversicherung funktionieren und weltweit gültig sind. Der Vorteil einer Auslandskrankenversicherung ist, dass man sich nicht alle paar Jahre einem Gesundheitscheck unterziehen muss. Ein Beispiel: Man hat eine Reisekrankenversicherung abgeschlossen und entwickelt nach zwei Jahren ein chronisches Leiden. Nach weiteren drei Jahren endet die Versicherung. Um sich weiter zu versichern, muss man einen neuen Gesundheitscheck machen, der zur Folge haben wird, dass dieses „neue“ Leiden nicht mehr mitversichert wird. Das passiert bei einer Auslandskrankenversicherung nicht. Und bei dieser vollwertigen Auslandskrankenversicherung kommt es darauf an, wo ich mich die meiste Zeit des Jahres aufhalte, weil die Beiträge nach den medizinischen Kosten vor Ort berechnet werden. In Singapur etwa ist meine Prämie deutlich höher als in Thailand.
Was muss man beachten, wenn man dauerhaft wieder zurück nach Deutschland kommt und sich krankenversichern will?
Da in Deutschland Krankenversicherungspflicht gilt, müssen die Krankenkassen jeden aufnehmen. Ob man auch von den gesetzlichen Krankenkassen wieder aufgenommen wird, hängt aber davon ab, welchen Versicherungsstatus man zuletzt in Deutschland hatte. Als pflichtversicherter Angestellter kann man die Krankenversicherung kündigen, wenn man ins Ausland geht – und sie wieder aufnehmen, sobald man zurückkehrt. Wer schon in Deutschland selbständig und nur freiwillig gesetzlich oder privat versichert war, kann im schlimmsten Fall von allen gesetzlichen Kassen abgelehnt werden. Dann muss man sich bei einer privaten Krankenkasse zum sogenannten Basistarif versichern, der mehr als die gesetzliche Versicherung kostet, aber nur geringe Leistungen bietet. Um sicher in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren zu können, ist es hilfreich nachzuweisen, dass man während des Auslandsaufenthalts lückenlos versichert war. Als Selbständiger hat man zudem die Möglichkeit, die Versicherung auf Anwartschaft zu setzen, das heißt, man zahlt einen monatlichen Betrag, damit die Krankenversicherung pausiert, aber nicht beendet wird. Da muss man allerdings abwägen. Ich lebe beispielsweise seit acht Jahren nicht mehr in Deutschland. Für diesen langen Zeitraum hätte es keinen Sinn ergeben, die Anwartschaft so lange aufrechtzuerhalten. Für mich besteht jetzt also das Risiko, nicht mehr so einfach in die deutsche gesetzliche Krankenversicherung hineinzukommen. Im Zweifel müsste ich mich privat versichern.
Veröffentlicht am 28.10.2019